Darf der Arbeitnehmer die Anrufe des Arbeitgebers auf seinem Handy ignorieren?

Oder darf der Arbeitgeber gar den Arbeitnehmer aus seinem Urlaub zurückholen? Diese Fragen sind bei der ständigen Erreichbarkeit aufgrund zunehmender Digitalisierung und immer häufiger unvorhersehbar auftretender Ereignisse wie der Corona-Pandemie (2020) oder der Flutkatastrophe im Ahrtal (2021) nicht abwegig. Bei plötzlichen Personalausfällen und kurzfristigen Schwierigkeiten im Betrieb liegt es für Arbeitgeber nahe, auch solche Arbeitskräfte einzusetzen, die sich im oder kurz vor dem Urlaub befinden.

1. Während des Urlaubs

Hat der Arbeitgeber das Recht hat, den Mitarbeiter aus einem bereits angetretenen Urlaub zurückzurufen?

Das Bundesurlaubsgesetz, das die Spielregeln für den Urlaub im Arbeitsverhältnis bestimmt, sagt dazu nichts. Deshalb hat das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 20.06.2000, Az. 9 AZR 405/99), klargestellt, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht abbrechen muss. Offen gelassen hat das BAG aber, ob es so unvorhersehbare und zwingende Gründe für den Arbeitgeber geben könnte, die eine Ausnahme notwendig machen, so dass in extremen Ausnahmefällen ein Rückruf möglich sein könnte. Bis heute hat noch kein Arbeitsgericht eine solche außergewöhnliche Situation festgestellt.

Klar ist, dass bei einem Rückruf des Arbeitnehmers aus dem Urlaub oder wenn dieser auf Aufforderung des Arbeitgebers freiwillig aus dem Urlaub zurückkommt, der Urlaub nachträglich zu gewähren ist. Auch sind dem Arbeitnehmer die Kosten eines Reiserücktritts oder Umbuchungskosten zu erstatten.

Kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer wenigstens verlangen, seinen Urlaub kurzzeitig zu unterbrechen, um eine Kundenanfrage oder eine dringende E-Mail zu beantworten? Auch das darf der Arbeitgeber nicht. Denn der Erholungszweck des Urlaubs ist schon dann beeinträchtigt, wenn der Arbeitnehmer ständig mit Anfragen rechnen und sich dafür bereithalten muss.

Es gibt keine zeitliche „Bagatellgrenze“ für kurze Tätigkeiten. Im Gegenteil wird jede Aufforderung, den Urlaub auch nur kurzzeitig für eine Arbeitstätigkeit zu unterbrechen, wie ein Rückruf aus dem Urlaub behandelt, d.h. dass zumindest dieser Urlaubstag aufgrund Arbeitsleistung nachgeholt werden muss.

2. Vor dem Urlaub

Könnte der Arbeitgeber bereits genehmigten Urlaub zurücknehmen, solange der Arbeitnehmer ihn noch nicht angetreten hat?

Eine solche Wiederherstellung der Arbeitspflicht (statt Urlaub) ist tatsächlich – aber nur ausnahmsweise – möglich. Bevor der genehmigte Urlaub versagt wird, muss der Arbeitgeber die Interessen des Arbeitnehmers an der Urlaubsgewährung und seine eigenen Interessen an der Beschäftigung vergleichen und gegeneinander bewerten.

Damit der Arbeitgeber das in die bereits erfolgte Urlaubsgewährung gesetzte Vertrauen des Arbeitnehmers verletzen darf, müssen die betrieblichen Gründe so wichtig und existentiell sein, dass es dem Arbeitgeber unzumutbar wäre, den Urlaub gewähren zu müssen.

In diesem äußerst seltenen Fall wären die Gründe des Arbeitgebers dann wohl so wichtig, dass diese auch für den Arbeitnehmer nachvollziehbar wären und er seinen Urlaub vernünftigerweise deshalb zurückstellen würde. Dies kommt in der Praxis normalerweise nicht vor. Aber falls doch, wären dem Arbeitnehmer die aufgrund des Nichtantritts des Urlaubs entstandenen Kosten zu ersetzen.

Manche Arbeitgeber versuchen deshalb eine Abrufbarkeit aus dem Urlaub vorher vertraglich zu regeln oder sich den Rückruf aus dem Urlaub vertraglich vorzubehalten. Aber keine Sorge, solche Vereinbarungen verstoßen immer gegen das Bundesurlaubsgesetz (§ 13 Abs. 1 i.V.m. § 1 BUrlG) und sind unwirksam. Von den Mindestregelungen des Bundesurlaubsgesetzes darf weder durch Arbeitsvertrag noch durch Tarifvertrag zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden. Die gesetztlichen Regelungen gelten zwar nur für den gesetzlichen Mindesturlaub. Für den darüber hinausgehenden vertragliche Urlaubsanspruch gilt aber auch, dass im Arbeitsvertrag keine nachteiligen Regelungen enthalten sein dürfen, mit denen der Arbeitnehmer nicht üblicherweise rechnen muss.

3. Fazit

Ist der Urlaub einmal bewilligt, muss er auch gewährt werden und zwar ohne wenn und aber. Der Arbeitnehmer soll seine durch den Urlaub gewonnene Freizeit ohne Einschränkungen selbstbestimmt nutzen dürfen. Deshalb ist darf er weder aus dem Urlaub zurückgerufen werden noch muss er im Urlaub irgendeine Arbeitsleistung erbringen.

Arbeitgeber sind deshalb gut beraten, wenn sie die Arbeitnehmer im Urlaub nicht kontaktieren. Falls dies unumgänglich ist, sollten Arbeitgeber anstelle von Rückrufaktionen besser auf Freiwilligkeit und finanzielle Anreize setzen.

Urlaub bleibt also Urlaub.