Bis zum 15. März 2022 haben in der Pflege- und Gesundheitsbranche tätige Mitarbeiter nach dem neuen § 20a Infektionsschutzgesetz einen gültigen Impf- oder Genesenennachweis ge­gen das Corona-Virus vorzulegen. Ausgenommen sind nur solche Personen, die wegen einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können.

Dabei ist jedoch noch vieles unklar:

1. Für wen gilt die Regelung?

Gilt die Impfpflicht nur für die direkt in der Pflege beschäftigten Mitarbeiter, also nur denjenigen, die auch in Kontakt zu vulnerablen Gruppen stehen? Oder greift die Impfpflicht für alle Beschäftigten greift, also auch z.B. für das Reinigungs- oder Küchenpersonal in Krankenhäusern. Da das Gesetz von den in den „Einrichtungen“ der Pflege- und Gesundheitsbranche beschäftigten Mitarbeitern spricht, muss davon ausgegangen werden, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes von der Impfpflicht alle Beschäftigten in der Pflege- und Gesundheitsbranche betroffen sind.

2. Welche Konsequenzen drohen bei Nichteinhaltung?

Offen ist (Stand heute, 25.01.2022) noch, welche Konsequenzen es für die Beschäftigten haben kann, wenn sie sich entgegen der Verpflichtung zur Impfung nicht impfen lassen.

Klar ist zunächst, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Impfung nicht zwingen kann. Aber darf der Arbeitgeber überhaupt – selbst wenn er wollte – einen der Impfpflicht unterliegenden, trotzdem ungeimpften Mitarbeiter beschäftigen?

Hier unterscheidet das Gesetz schon zwischen solchen Beschäftigten, die bereits in den betroffenen Einrichtungen und Unternehmen tätig sind und solchen Beschäftigten, die erst nach dem 15.03.2022 eine Tätigkeit in einer betroffenen Einrichtung aufnehmen (wollen).

Beschäftigte, die bereits vor dem 16.03.2022 tätig waren, unterliegen einem Beschäftigungsverbot erst dann, wenn es vom Gesundheitsamt angeordnet wird. Und das kann dauern. Denn die Gesundheitsämter sind gehalten, die betrieblichen Umstände und Bedürfnisse bei ihrer Entscheidung über die Verhängung eines evtl. Beschäftigungsverbotes zu berücksichtigen. D.h. übersetzt: Der Gesetzgeber überfordert die Gesundheitsämter und Stand heute (08.02.2022) ist nicht mit einer Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben des Gesetzgebers durch die Gesundheitsämter zu rechnen. Stattdessen haben einzelne Bundesländer bereits angekündigt, allen voran Bayern, dass sie die einrichtungsbezogene Impflicht möglicherweise gar nicht oder nur eingeschränkt umsetzen werden.

Klar ist heute nur, dass jedenfalls ungeimpfte Personen, deren Beschäftigung in einer entsprechenden Einrichtung erst nach dem 15.03.2022 beginnt, erst gar nicht tätig werden dürfen. Für diese Mitarbeiter besteht das Beschäftigungsverbot von Anfang an.

Die weiteren arbeitsrechtlichen Folgen sind durch das Gesetz leider nicht geregelt. Wir gehen jedoch davon aus, dass bei einem durch das Gesundheitsamt ausgesprochenen individuellen Beschäftigungsverbot für Neueinstellungen ab dem 16.03.2022, die Lohnfortzahlungspflicht für den Arbeitgeber entfällt. Das wird auch gegenüber den anderen Beschäftigten der Fall sein, sobald das Gesundheitsamt tatsächlich ein Beschäftigungsverbot aussprechen sollte. Aber wie bereits oben erwähnt, wird das nach den neuesten Entwicklungen und Beobachtungen, dass die Omikron Variante selten zu schweren Krankheitsverläufen führt, immer unwahrscheinlicher.

Brisant ist vor allem die Frage, ob der Arbeitgeber die impfunwilligen Arbeitnehmer sogar kündigen kann.

In Betracht kommen dabei zwei verschiedene Arten einer Kündigung. Entweder eine Kündigung aus personenbedingten Gründen oder aus verhaltensbedingten Gründen. Personenbedingt ist eine Kündigung, wenn das Beschäftigungshindernis, also hier der Kündigungsgrund in der Person des Arbeitnehmers liegt, bzw. sich aus der Person des Arbeitnehmers selbst ergibt. Dies kann sich daraus ergeben, dass der Arbeitnehmer nicht geimpft ist – und aufgrund des Beschäftigungsverbots vom Arbeitgeber nicht beschäftigt werden kann. Klassische „personenbedingte“ Kündigungsgründe, wie z.B. eine Langzeiterkrankung, sind jedoch regelmäßig solche, auf die der Arbeitnehmer mit seinem Verhalten keinen Einfluss hat. Gerade weil der Arbeitnehmer diese (personenbedingten) Umstände nicht durch sein Verhalten steuern kann, ist auch eine Abmahnung grundsätzlich nicht erforderlich.

Wenn der Beschäftigte aber die Möglichkeit hätte, sich impfen zu lassen und sich damit rechtskonform zu verhalten zu können, kann er den vermeintlichen Kündigungsgrund damit auch beseitigen. Dann könnte ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund vorliegen, der an ein (Fehl-)Verhalten des Arbeitnehmers anknüpft. Das hier beanstandete Verhalten wäre die Weigerung zur Impfung. Dabei ist zu beachten, dass bei einer verhaltensbedingten Kündigung immer zuerst eine Abmahnung als Warnung und als milderes Mittel zur Verhaltensänderung vorausgehen muss.

3. Fazit

Das Thema ist brandaktuell und bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sind noch viele Fragen offen. Wir rechnen fest damit, dass Arbeitgeber im Falle eines Beschäftigungsverbots in erster Linie zunächst die Lohnzahlungen einstellen und es zum Rechtsstreit über die Vergütung kommt.

Wenn Arbeitgeber die Möglichkeiten einer eventuellen Beendigung des Arbeitsverhältnisses austesten und Abmahnungen aussprechen, ist schon fraglich, inwieweit dies rechtlich zulässig ist. Den Ausspruch von Kündigungen sollten sich Arbeitgeber gut überlegen, denn vermutlich werden diese nicht wirksam und mit der Kündigungsschutzklage angreifbar sein.

Hierbei können sich je nach Einzelfall verschiedene Konstellationen ergeben, die jeweils eine andere Bewertung der Situation erfordern. Welche Folgen ergeben sich z.B. für Arbeitnehmer, die überwiegend oder zum Teil im Home-Office arbeiten? Sind Kündigungen überhaupt denkbar, solange ungeklärt ist, wie lange ein Beschäftigungsverbot voraussichtlich wirkt? Entscheidungen der Arbeitsgerichte werden wir erst in den kommenden Monaten erhalten. Als Fachanwälte für Arbeitsrecht stehen wir Ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Kontaktieren Sie uns gerne!