Uns erreicht oft die Frage: Was ist die richtige Kündigungsfrist? Muss ich diese auch tatsächlich einhalten oder kann ich das Arbeitsverhältnis kurzfristig beenden?

Fachkräfte sind derzeit gefragt. So mancher Arbeitnehmer möchte deshalb das neue und aus seiner Sicht bessere Arbeitsplatzangebot so schnell wie möglich annehmen und missachtet dabei die für ihn geltende Kündigungsfrist. Dies bedeutet Ärger und Aufwand – möglicherweise für beide Vertragsparteien.

Welche Frist der Arbeitgeber bei einer Kündigung einzuhalten hätte, ist dem Arbeitnehmer dabei regelmäßig klar. Die Kündigungsfrist steht im Arbeitsvertrag und bei längeren Arbeitsverhältnissen ergibt sich die – verlängerte – Frist aus dem Gesetz (§ 622 Abs. 2 BGB) oder dem anwendbaren Tarifvertrag.

Beim Arbeitnehmer gilt im Wesentlichen dasselbe nur in anderer (Prüfungs-)Reihenfolge. Zunächst beträgt die Kündigungsfrist nach dem Gesetz vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Sieht der Arbeitsvertrag oder ein Tarifvertrag längere Fristen vor, sind die längeren Fristen maßgebend. In manchen Arbeitsverträgen ist zusätzlich geregelt, dass eine gesetzliche Verlängerung der Kündigungsfristen für den Arbeitgeber (nach § 622 Abs. 2 BGB) gleichzeitig auch für den Arbeitnehmer gelten soll. Auch wenn dies vom Gesetz so nicht vorgesehen ist, kann dies zwischen den Arbeitsvertragsparteien so wirksam vereinbart werden.

Muss der Arbeitnehmer bei seiner eigenen Kündigungserklärung eine sehr lange Kündigungsfrist auch einhalten, wenn sie für ihn unbequem und zu lange ist? Streng genommen ja, denn eine arbeitsvertragliche Verpflichtung ist selbstverständlich einzuhalten. Aber was passiert, wenn die Kündigungsfrist nicht eingehalten wird? Welche Rechte hat der frühere Arbeitgeber in dem Fall?

1. Recht auf Schadensersatz wegen Vertragsbruchs?

Kündigungsfristen ergeben sich aus dem Gesetz (§ 622 BGB), Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag. Der Arbeitnehmer, der vorzeitig „abspringt“, wird also vertragsbrüchig. Entsteht dem Arbeitgeber hierdurch ein Schaden, kann er diesen theoretisch ersetzt verlangen.

In der Praxis muss der Arbeitgeber den Schaden im Streitfall vor dem Arbeitsgericht aber darlegen und nachweisen. Dies ist in den allermeisten Fällen sehr schwierig bis unmöglich. Nur im Einzelfall, wenn z. B. gerade durch den plötzlichen Abgang ein Projekt notleidend wird, nicht termingerecht umgesetzt werden kann und dies zu einem – finanziellen – Schaden führt, wird ein Schaden nachweisbar sein. Im Regelfall springen jedoch andere Mitarbeiter ein, um den Schaden im Unternehmensinteresse zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Deren Vergütung kann nur dann ausnahmsweise als (Differenz-)Schaden geltend gemacht werden, wenn sie höher ist als die des abgesprungenen Mitarbeiters. Außerdem muss der Arbeitgeber auch immer damit rechnen, dass ein Arbeitnehmer erkrankt. In dem Fall hätte sich der Arbeitgeber ebenfalls um eine Vertretung kümmern müssen. Der Arbeitgeber kann also nicht einfach davon absehen, eine Vertretung zu engagieren, um dann dem Arbeitnehmer einen Schaden zu berechnen. Denn der Arbeitgeber hat seinerseits eine Verpflichtung, einen Schaden erst gar nicht entstehen zu lassen, d.h. eine sog. Schadensminderungspflicht. Wenn er diese nicht beachtet, kann er einen Schaden auch nicht vom Arbeitnehmer fordern. Als einziger „Schaden“ bleibt meist nur der mit der Situation verbundene Ärger und Aufwand. Den bekommt der Arbeitgeber vor dem Gericht aber nicht ersetzt, weil er nicht konkret finanziell zu beziffern ist.

2. Recht auf gerichtliche Erzwingung der Arbeitsleistung?

Da während der Kündigungsfrist ein Anspruch auf Arbeitsleistung besteht, könnte der Arbeitgeber auf die Idee kommen, den Arbeitnehmer vor Gericht zum Arbeiten verurteilen zu lassen. Eine solche Verurteilung braucht der Arbeitnehmer nicht zu befürchten. Abgesehen davon, dass es für den Arbeitgeber schon persönlich keinen Sinn macht, einen Arbeitnehmer zur Arbeit zu zwingen, ergibt sich aus der Regelung des § 888 Abs. 3 ZPO, dass eine Verpflichtung zur persönlichen Arbeitsleistung nicht durchsetzbar ist.

Deshalb hatten wir in den vergangenen 20 Jahren unserer arbeitsrechtlichen Tätigkeit nur einen einzigen Fall, in dem ein Arbeitgeber tatsächlich gegen die vorzeitige Kündigung eines Arbeitnehmers vor einem Arbeitsgericht geklagt hat. Es handelte sich um den ungewöhnlichen Fall eines Karboningenieurs, der in einem Opel-Vertrags-Rennstall der DTM beschäftigt war (damals war Opel noch in der DTM). Dieser hatte eine Kündigungsfrist bis zum Saisonende der laufenden DTM vereinbart, was zum Zeitpunkt unserer Beauftragung noch länger als ein Jahr war. Der Karbonexperte wollte trotz der sehr langen Kündigungsfrist das neue Jobangebot eines Formel-Eins-Rennstalls, innerhalb von drei Monaten, zum nächsten Formel-Eins Saisonstart annehmen – für ihn ein Traumjob. Der alte Arbeitgeber aber wollte durch das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der auf unsere Empfehlung hin ausgesprochenen vorzeitigen Kündigung feststellen lassen und gerichtlich die Fortsetzung des Arbeitsvertrags erzwingen bzw. verhindern, dass der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist bei einem neuen Arbeitgeber arbeiten darf. Wir haben die vorzeitige Beendigung des Arbeitsvertrags für den Karboningenieur durchgesetzt. Auch einen vom DTM-Rennstall geforderten Schadenersatz musste er nicht bezahlen. Allerdings enthielt der Arbeitsvertrag des DTM-Rennstalls eine Vertragsstrafe für den Fall der Verletzung der Kündigungsfrist. Aber diese vergleichbar geringe Zahlung hat der neue Arbeitgeber, der Formel-Eins-Rennstall, für unseren Karbonexperten gerne übernommen.

3. Recht auf Zahlung aufgrund einer zuvor vereinbarten Vertragsstrafe?

Gegen eine Verletzung der Kündigungsfrist durch den Arbeitnehmer schützen sich Arbeitgeber oft durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafenklausel im Arbeitsvertrag für den Fall der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist.

Solche Vereinbarungen sind grundsätzlich zulässig. Damit diese wirksam sind, müssen aber die rechtlichen formalen Anforderungen eingehalten sein. Die Vertragsstrafenklausel muss insbesondere klar formuliert und transparent sein, d.h. der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen, auf was er sich einlässt. Außerdem darf die Vertragsstrafe nicht überhöht sein. Als noch angemessen ist eine Vertragsstrafe meistens dann, wenn dabei die Höhe der Vergütung des Arbeitnehmers, die er im Zeitraum der Kündigungsfrist verdient hätte, noch eingehalten ist. Höhere Summen sind regelmäßig unangemessen.

Meist braucht es aber gar keine hohen Strafsummen, um den Arbeitnehmer zu motivieren, die Kündigungsfrist einzuhalten. Dazu genügt bei vielen Arbeitnehmern bereits das Vorhandensein einer solchen Vertragsstrafenklausel im Arbeitsvertrag.

4. Wettbewerbsverbot während Kündigungsfrist

Ein weiteres Problem kann sich auch daraus ergeben, dass ein Arbeitnehmer – vorzeitig – zu einem Konkurrenzunternehmen wechseln will. Wenn im Arbeitsvertrag ein Verbot enthalten ist, nachvertraglich zu einem Konkurrenzunternehmen zu wechseln („Nachvertragliches Wettbewerbsverbot“), entfällt diese Möglichkeit sowieso. Aber auch wenn im Arbeitsvertrag nichts geregelt ist, gilt immer ein „vertragliches Wettbewerbsverbot“ (§ 60 HGB) auch während der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist.

Bei unzulässiger Verkürzung der Kündigungsfrist hat der Arbeitgeber einen Anspruch auf Einhaltung der Kündigungsfrist und kann – theoretisch – auch verhindern, dass der Arbeitnehmer während der Dauer der vereinbarten Kündigungsfrist bei der Konkurrenz anfängt. Das kommt bei normalen Arbeitsverhältnissen zwar nicht vor, denn der alte Arbeitgeber müsste als Preis für die Durchsetzung des (vertraglichen) Wettbewerbsverbotes dann immer auch die Vergütung für den Arbeitnehmer bezahlen, der ohnehin gehen will.

Aber in technologisch sensiblen Bereichen oder bei Geschäftsgeheimnisträgern hat der Arbeitgeber durchaus ein Interesse an der Einhaltung einer längeren Kündigungsfrist, damit hochqualifizierte Arbeitnehmer ihre aktuellen Kenntnisse über laufende Projekte, Kalkulationen usw. nicht kurzfristig einem Konkurrenzunternehmen zur Verfügung stellen.

Bei einem kritischen Vertragswechsel zu einem Wettbewerber sollten zumindest hochqualifizierte Arbeitnehmer und Träger von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen auch die Interessen des zukünftigen Arbeitgebers im Blick haben und besser ihre Kündigungsfristen einhalten. Denn bei vertragswidriger Verkürzung von Kündigungsfristen könnte der alte Arbeitgeber auch gegen einen neuen Arbeitgeber Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche geltend machen, etwa wegen des Förderns oder Ausnutzens eines Vertragsbruchs oder der Nutzung wettbewerbswidrig erlangter Geschäftsgeheimnisse. Besonders große Technologiekonzerne oder international geführte Unternehmen reagieren hierauf sehr sensibel, da hierdurch nicht nur ein finanzieller Schaden sondern auch ein Reputationsschaden entsteht.

5. Fazit

Hält sich der Arbeitnehmer nicht an die Kündigungsfrist und bleibt der Arbeit einfach fern, kann er vom Arbeitgeber nicht zur Arbeit gezwungen werden. Die Verkürzung von Kündigungsfristen durch den Arbeitnehmer ist aber immer eine Vertragsverletzung. In vielen Fällen bleibt diese Vertragsverletzung finanziell folgenlos, weil ein Schaden durch den Arbeitgeber nicht begründbar sein wird. Nur wenn im Arbeitsvertrag eine wirksame Vertragsstrafe vereinbart ist, kann der Arbeitgeber eine Zahlung wegen der Vertragsverletzung verlangen.

Ganz folgenlos bleibt die Vertragsverletzung meist nicht, wenn der dadurch verärgerte Arbeitgeber im Arbeitszeugnis eine schlechtere Bewertung aufnimmt. Dies wird der Arbeitnehmer als mögliche Konsequenz immer berücksichtigen und auch hinnehmen müssen, denn eine Zeugnisberichtigung ist nur in seltenen Fällen durchsetzbar.

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6. Fachanwaltstipp für Arbeitnehmer

Steht ein lukrativer neuer Job in Aussicht, den der Arbeitnehmer aber zeitnah antreten soll, sollte zunächst versucht werden, mit dem neuen Arbeitgeber einen späteren Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren. Ist dies nicht möglich, muss geprüft werden, ob eine Verletzung der Kündigungsfrist zu einer Vertragsstrafe oder in seltenen Fällen möglicherweise auch zu einem Schadenersatz gegenüber dem Arbeitgeber führen kann.

Als Fachanwaltskanzlei für Arbeitsrecht prüfen wir nicht nur die Möglichkeit der Verkürzung einer Kündigungsfrist und deren Folgen für den Arbeitnehmer sondern verhandeln auch mit dem Arbeitgeber über eine ggfls. vorzeitige einvernehmliche Vertragsbeendigung.