Die meisten Arbeitnehmer wissen nicht, dass sie während einer Elternzeit, obwohl sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und das Arbeitsverhältnis ruht, einen Urlaubsanspruch erwerben. Allerdings kann der Arbeitgeber dies wieder – nachträglich – abwenden, indem er nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG für den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin entstanden ist, eine Kürzungserklärung abgibt und damit den Urlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12-tel kürzen darf.

Vergisst der Arbeitgeber von seinem Kürzungsrecht Gebrauch zu machen und endet das Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Elternzeit oder kurz danach, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine finanzielle Abgeltung des in der Elternzeit entstandenen und vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaubs.

 

1. Arbeitgeber kann den Urlaub während der Elternzeit nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG kürzen

Selbst bei einer mehrjährigen Elternzeit entsteht der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers. Hierbei summiert sich der Urlaubsanspruch während der Elternzeit sogar auf – es sei denn, der Arbeitgeber macht von seiner Kürzungsmöglichkeit nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG Gebrauch. Hierdurch kann der Arbeitgeber in der Elternzeit den entstandenen Urlaub vollständig in Wegfall bringen, indem er diesen für jeden vollen Monat der Elternzeit um 1/12-tel kürzt. Ein Kürzungsrecht des Arbeitgebers besteht allerdings dann nicht, wenn der Arbeitnehmer während seiner Elternzeit in Teilzeit beim Arbeitgeber arbeitet.

Allerdings vergessen Arbeitgeber in der Praxis sehr häufig dies zu tun. Und da die Kürzung des Urlaubsanspruchs für die Dauer der Elternzeit nicht kraft Gesetzes, also nicht automatisch erfolgt, entsteht so häufig bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses während oder unmittelbar nach der Elternzeit ein finanzieller Anspruch, von dem die meisten Arbeitnehmer gar nichts wissen.

 

2. Nach dem Arbeitsverhältnis ist es zu spät für den Arbeitgeber

Wenn der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch kürzen möchte, so muss er das deutlich zum Ausdruck bringen. Die Juristen sprechen hier von einer empfangsbedürftigen Willenserklärung. Diese Erklärung kann ausdrücklich oder auch stillschweigend erfolgen. Hierzu genügt es, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach der Elternzeit nur den gekürzten Urlaub gewährt oder dem Arbeitnehmer anderweitig erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will.

Die Kürzungserklärung kann der Arbeitgeber vor, während und nach der Elternzeit abgegeben. Dennoch kann der Arbeitgeber hier Fehler machen, denn trotzdem kann der Arbeitgeber eine solche Kürzungserklärung sowohl zu früh als auch zu spät abgegeben.

Der Arbeitgeber darf die Kürzungserklärung nicht nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeben, wie das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2015 entschieden hat (siehe BAG, Urteil vom 19. Mai 2015 – 9 AZR 725/13–). Dann kommt die Kürzungserklärung zu spät und ist damit unwirksam. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer einen finanziellen Urlaubsabgeltungsanspruch gegen den Arbeitgeber geltend machen kann.

Der Arbeitgeber kann die Kürzungserklärung aber auch zu früh abgeben, z.B. wenn er sie im Arbeitsvertrag aufnimmt oder im Antragsformular für die Elternzeit. Denn die Kürzung darf nicht vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, erfolgen, wie das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2019 aktuell entschieden hat (BAG, Urteil vom 19. März 2019 – 9 AZR 362/18 –). Auch dann ist die Kürzungserklärung unwirksam, mit der Folge dass der während der Elternzeit entstandene Urlaub dem Arbeitnehmer weiter zusteht.

 

3. Fazit:

Urlaubsansprüche entstehen auch während der Elternzeit. Dass während der Elternzeit ohnehin keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung besteht, ist hierbei egal. Denn die Urlaubsansprüche entstehen durch das Gesetz automatisch. Deshalb hat der Gesetzgeber dem Arbeitgeber – quasi als Gegenmittel – einen Kürzungsanspruch zugestanden (§§ 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG). Der Arbeitgeber darf nur nicht vergessen, eine wirksame Kürzungserklärung abzugeben. Gibt er keine Kürzungserklärung ab oder erfolgt diese zu früh oder zu spät, bleibt dem Arbeitnehmer der während der Elternzeit entstandene Urlaubsanspruch in voller Höhe.

Aber Vorsicht, während des nach der Elternzeit weiter bestehenden Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber die Kürzungserklärung noch nachholen. Nur nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist dies nicht mehr möglich. Erst dann kann der Arbeitnehmer die finanzielle Abgeltung aller noch bestehender Urlaubsansprüche einfordern, einschließlich der Urlaubsansprüche, die während der Elternzeit entstanden waren. Sind im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag Verfall- oder Ausschlussfristen, also Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Arbeitgeber enthalten, dann sind auch diese zu beachten.

 

von Arndt Diefenbacher, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Kanzlei Hofsäß + Partner, Karlsruhe

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